Persönliche Worte zu Strebersdorf

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von Dr. Ronald Schrems, Leiter der Strebersdorfer SPÖ Sektion 10

Von 1835 bis 1838 war mein Vorfahre Anton Ruschko Bürgermeister(Ortsrichter) von Strebersdorf. Damals hatte das Dorf rund 500 Einwohner und bestand eigentlich nur aus den Häuserzeilen der Langenzersdorferstrasse. 60 Jahre später ist mein Urgroßvater Johann Jobst, ein junger Friseur aus Bayern, in Strebersdorf eingetroffen. Eigentlich war er „Barbier“, also Bart – und Haarschneider für Männer, Frauen haben sich am Land damals noch selbst die Haare geschnitten und Zöpfe geflochten. Johann Jobst hat in der Langenzersdorferstrasse 7 den ersten Strebersdorfer Friseur eröffnet, damals, um 1900, hatte Strebersdorf immerhin schon 1800 Einwohner. Mein Großvater Josef Schrems, ein Schlosser bei der ÖBB, war einer der ersten Sozialdemokraten Strebersdorfs, sein Sohn Otto, mein Vater, war am Ende seiner Beamtenlaufbahn der Leiter des magistratischen Bezirksamts  Floridsdorf.

Gasthaus Csmerits am Strebersdorferplatz

Warum erzähle ich diese Geschichte? Weil es meine Wurzeln im alten „Dorf“, dem ersten Strebersdorf aufzeigt: dieses erste Strebersdorf waren die Häuser, Straßen und Bewohner, die in meinem Geburtsjahr 1959 existierten, mit dem Strebersdorfer Platz als Ortskern, wo damals noch das alte Gasthaus Czmerits stand. In meiner Kindheit in den sechziger Jahren hat sich dann viel getan: die großen Gemeindebauten zwischen Pragerstrasse, Gmündstrasse und Mayerweckstrasse und am Mühlweg wurden gebaut, das Strebersdorfer Hochhaus, die zweite Kirche am Edmund Hawranekplatz. Kurzum – die Strebersdorfer Bevölkerung hat sich in diesem Jahrzehnt mehr als verdoppelt, ein zweites Strebersdorf ist entstanden. Ich kann mich noch erinnern, wie mir mein Großvater Josef stolz die großen Baugruben und die ersten fertig gestellten Bauten gezeigt hat, heute kann ich mir gut vorstellen, dass diese Expansion und große Veränderung für viele der alten Strebersdorfer einen Schock bedeutet hat.

Gemeindebau Mühlweg

Neben dem Haus meiner Eltern wurde ein kleinerer Gemeindebau zwischen Mühlweg und Roggegasse errichtet und mit jungen Familien mit vielen Kindern besiedelt, für mich das Spielparadies meiner Kindheit. Ich bin gleichsam als Spross des ersten Strebersdorf in das zweite hineingeboren worden. Zentrum dieses zweiten Strebersdorf ist natürlich das Hochhaus, wo sich im Erdgeschoß bis heute der Sitz der altehrwürdigen Sektion 10 mit dem großen Veranstaltungssaal befindet.

Nach Ende meines Studiums bin ich Anfang der Achtzigerjahre aus dem Elternhaus ausgezogen, 2010 habe ich dann in der Mayerweckstrasse, auf dem Grund, den mein Urgroßvater erworben hat, ein Haus gebaut und damit nach Strebersdorf heimgekehrt. Diese Heimkehr, dieser Hausbau gehört zum „dritten Strebersdorf“ – zu den vielen neuen Häusern und Wohnhausanlagen, die in den letzten beiden Jahrzehnten in Strebersdorf entstanden sind: neue Strassen wurden gebaut, wie die Fritz Kandlgasse oder die Kutragasse, viele Menschen der oberen Mittelschicht sind in Strebersdorf zugezogen. Grund hiefür ist sicher die gute Verbindung zur Stadt, die Nähe zu Naherholungsgebieten wie Bisamberg und Marchfeldkanal sowie schließlich das gute Infrastrukturangebot Wiens. Wir haben es also in Strebersdorf mit drei Besiedlungsgruppen oder –schichten zu tun: Die Nachfahren der alten Dorfbevölkerung, die Zuzügler der sechziger Jahre und ihre Kinder sowie die neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die erst jüngst in Strebersdorf ihre Heimat gefunden haben.

Rußbergstraße Blickrichtung Strebersdorfer Platz

Wenn man heute mit offene Augen durch „Großstrebersdorf“ geht, so entdeckt man wunderschöne neue Häuser, aber auch  -für Fremde überraschend – sanierte und gut gepflegte Gemeindebauten. Ich habe in diesen alten Bauten einen wesentlichen Unterschied zu meiner Kindheit festgestellt: alles ist viel ruhiger und eigentlich schöner geworden. Das hat sicher damit zu tun, dass die Menschen, die vor 50 Jahren dort eingezogen sind, alt geworden sind. Was im Vergleich zu früher aber schlechter geworden ist, das ist das alte Dorf, der Ortskern. Zum einen sind die vielen Geschäfte und Wirtshäuser in der Langenzersdorferstrasse, der Strebersdorferstraße und der Rußbergstrasse verschwunden, die Häuser sind zu Fassaden geworden, das Leben hat sich von vorne nach hinten verlagert. Und genau hier besteht aus meiner Sicht in den kommenden Jahren dringend Handlungsbedarf: Die Rußbergstraße ist ein vernachlässigter Ver- und Entsorgungsweg mit kaum Begrünung und der alten Beleuchtung wie vor 50 Jahren. Die beiden Parks am Hauptplatz und bei der Strassenbahnhaltestelle werden zwar gepflegt, haben aber ganz entscheidend Bedarf für ein „Upgrading“. Hier wollen wir ansetzen: die Strebersdorfer Sektion 10 hat es sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden 3 Jahren Schritt für Schritt dieses Rückgrat Strebersdorfs zu verbessern, die ersten Gespräche mit Bezirksvorsteher Papai und den zuständigen Stellen der Stadt Wien haben schon stattgefunden. Wir laden alle Strebersdorferinnen und Strebersdorfer ein, sich einzubringen, man erreicht uns jeden Dienstag um 19 Uhr im Hochhaus, aber auch auf Facebook @sektionstrebersdorf Unser Ziel ist es, 2021 einen Ortskern und damit eine Identität zu haben, die unserer Geschichte entspricht.

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